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Der alte Tanz auf dem alten Vulkan

Mär 2022
11

... oder ... Wenn alte Männer zu Tyrannen werden und überall nur Feinde sehen... 

Wer das Licht der Information aussperren muss, der braucht offenbar Finsternis für das, was er tut.    Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

 

Krieg dem Kriege

Sie lagen vier Jahre im Schützengraben.
Zeit, große Zeit!
Sie froren und waren verlaust und haben
daheim eine Frau und zwei kleine Knaben,
weit, weit – !

Und keiner, der ihnen die Wahrheit sagt.
Und keiner, der aufzubegehren wagt.
Monat um Monat, Jahr um Jahr ...

Und wenn mal einer auf Urlaub war,
sah er zu Hause die dicken Bäuche.
Und es fraßen dort um sich wie eine Seuche
der Tanz, die Gier, das Schiebergeschäft.
Und die Horde alldeutscher Skribenten kläfft:
»Krieg! Krieg!
Großer Sieg!
Sieg in Albanien und Sieg in Flandern!«
Und es starben die andern, die andern, die andern ...

Sie sahen die Kameraden fallen.
Das war das Schicksal bei fast allen:
Verwundung, Qual wie ein Tier, und Tod.
Ein kleiner Fleck, schmutzigrot –
und man trug sie fort und scharrte sie ein.
Wer wird wohl der nächste sein?

Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen.
Werden die Menschen es niemals lernen?
Gibt es ein Ding, um das es sich lohnt?
Wer ist das, der da oben thront,
von oben bis unten bespickt mit Orden,
und nur immer befiehlt: Morden! Morden! –
Blut und zermalmte Knochen und Dreck ...
Und dann hieß es plötzlich, das Schiff sei leck.

Der Kapitän hat den Abschied genommen
und ist etwas plötzlich von dannen geschwommen.
Ratlos stehen die Feldgrauen da.
Für wen das alles? Pro patria?

Brüder! Brüder! Schließt die Reihn!
Brüder! das darf nicht wieder sein!
Geben sie uns den Vernichtungsfrieden,
ist das gleiche Losbeschieden
unsern Söhnen und euern Enkeln.
Sollen die wieder blutrot besprenkeln
die Ackergräben, das grüne Gras?
Brüder! Pfeift den Burschen was!
Es darf und soll so nicht weitergehen.
Wir haben alle, alle gesehen,
wohin ein solcher Wahnsinn führt –

Das Feuer brannte, das sie geschürt.
Löscht es aus! Die Imperialisten,
die da drüben bei jenen nisten,
schenken uns wieder Nationalisten.
Und nach abermals zwanzig Jahren
kommen neue Kanonen gefahren. –
Das wäre kein Friede.
Das wäre Wahn.
Der alte Tanz auf dem alten Vulkan.
Du sollst nicht töten! hat einer gesagt.
Und die Menschheit hörts, und die Menschheit klagt.
Will das niemals anders werden?
Krieg dem Kriege!
Und Friede auf Erden.

Kurt Tucholsky (Juni 1919)

Vom Welttheater, alten Wahrheiten und Leugnungen

Jan 2022
01

Ein alter Mann geht vorüber

Ich war einmal ein Kind. Genau wie ihr.
Ich war ein Mann. Und jetzt bin ich ein Greis.
Die Zeit verging. Ich bin noch immer hier
Und möchte gern vergessen, was ich weiß.
Ich war ein Kind. Ein Mann. Nun bin ich mürbe.
Wer lange lebt, hat eines Tags genug.
Ich hätte nichts dagegen, wenn ich stürbe.
Ich bin so müde. Andre nennen’s klug.

Ach, ich sah manches Stück im Welttheater.
Ich war einmal ein Kind, wie ihr es seid.
Ich war einmal ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.
Und meistens war es schade um die Zeit...
Ich könnte euch verschiedenes erzählen,
Was nicht in euren Lesebüchern steht.
Geschichten, welche im Geschichtsbuch fehlen,
Sind immer die, um die sich alles dreht.
Wir hatten Krieg. Wir sahen, wie er war.
Wir litten Not und sah’n, wie sie entstand.
Die großen Lügen wurden offenbar.
Ich hab’ ein paar der Lügner gut gekannt.

Ja, ich sah manches Stück im Welttheater.
Ums Eintrittsgeld tut’s mir noch heute leid.
Ich war ein Kind. Ein Mann. Ein Freund. Ein Vater.
Und meistens war es schade um die Zeit...

Wir hofften. Doch die Hoffnung war vermessen.
Und die Vernunft blieb wie ein Stern entfernt.
Die nach uns kamen, hatten schnell vergessen.
Die nach uns kamen, hatten nichts gelernt.
Sie hatten Krieg. Sie sahen, wie er war.
Sie litten Not und sah’n, wie sie entstand.
Die großen Lügen wurden offenbar.
Die großen Lügen werden nie erkannt.

Und nun kommt ihr. Ich kann euch nichts vererben:
Macht, was ihr wollt. Doch merkt euch dieses Wort:
Vernunft muß sich ein jeder selbst erwerben,
Und nur die Dummheit pflanzt sich gratis fort.
Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid.
Und meistens ist es schade um die Zeit.

Erich Kästner


Blicke ich einfach zu pessimistisch ins Neue Jahr? Mir grauts dies mit einem klaren “Nein” beantworten zu müssen. Wahr bleibt Wahr, obwohl ja jeder seine eigene Geschichte erzählt und an sie glaubt. Glaube ist das neue Wissen. In Scharen ziehen sie lärmend durch die Straßen gegen den Glauben und sind selbst die größten Gläubigen. Tiefstes Mittelalter. Also ziehen sie ihr Wissen aus dem Glauben und sei der Leim auf dem sie kleben auch noch so irr. Es ist das Bestärkende darin das die Form fest zusammen bäckt und da man unablässig gegen irgendetwas oder irgendwen zu Felde zieht, können sie gar nicht begreifen, was sie selbst im Innersten zusammenhält. Und schon schmeißt einer den ersten Stein, die erste Fackel. Die Masse jubelt..!

Spazieren bildet. In dem wir gehen, sind wir. - Selbst das, im Zweifel! - Sie nehmen uns die Worte für das Rändige und verbiegen sie zur Unkenntlichkeit ihrer selbst. Wer mag sich heute noch unbefangen als Freidenker oder gar Querdenker bezeichnen, als jemanden, der sich nicht stumpf dem Mainstream beugt, sondern eigene Standpunkte und Betrachtungen sucht; sich aber den Realitäten stellt! Mögen sie sich selber so bezeichnen, so ist das ihrem Glauben geschuldet; doch all die Berichterstattung geht so unfassbar daneben diese Begrifflichkeiten in naiver Zuspitzung zu übernehmen und damit komplett zu desavouieren. Was bleibt sind aufeinandergehetzte Ansichten, schön fest zusammengeschraubt in gegenseitiger Verachtung. Scharf gezeichnete Ränder ohne Verträglichkeiten, ohne Möglichkeit der vernunftgeleiteten Übergänge.

Die Welt besteht aus Neid. Und Streit. Und Leid.
Und meistens ist es schade um die Zeit.

Und doch...


Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug.
Und keiner weiß, wie weit.

Ein Nachbar schläft, ein andrer klagt,
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.

Wir packen aus, wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.

Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.

Ein Kind steigt aus, die Mutter schreit.
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und keiner weiß, warum.

Die erste Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr.
Die Mehrheit sitzt auf Holz.

Wir reisen alle im gleichen Zug
zur Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.

Das Eisenbahngleichnis

Erich Kästner

DJ Warpspeed, oder wie sich Klein Knirpschen die Welt zurechtmachte..

Nov 2020
15

Part I

Ich lebe in einer Welt des kompletten Irrsinns. Es sind nicht einmal die Irrsinnigen selbst die mir dabei die größten Sorgen machen, es sind ihre komplett ausgehängten Fans und Supporter. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, in der ein Wort etwas bedeutete. Ja doch! - gelogen und übertrieben haben die Menschen schon immer. Das ist ihre Natur. Und diese Fähigkeit ist ja auch durchaus nütze. Doch auf eines war im Grunde genommen immer Verlass. Wurde ein Aufschneider anhand seiner Lügen überführt, oder trieb es gar zu krass, so konnte man sich sicher sein, dass es mit ihm vorbei war; Ausnahmen bestätigten die Regel. Dies war ein sehr verlässliches Übereinkommen und hat die Welt und ihre Menschen wenigstens tendenziell berechenbar gemacht.

Mit Überlichtgeschwindigkeit, also warpspeed, und durch gezieltes Krümmen der Raumzeit ermöglicht, sind diese Verläßlichkeiten aber ad ab­sur­dum geführt worden. Die Irrsinnigen haben erkannt, dass Berechenbarkeit und Integrität etwas sind was nicht zu ihrem Vorteil ist. In ihren Augen kann man verkrustete Strukturen nur aufbrechen in dem man sich völlig Unberechenbar gibt, dass Wahrheit ein krümmbarer Raum ist. Damit nimmt man der anderen Seite die Sicherheiten. Wie immer liegt in solchen Erkenntnissen auch ein kleiner Funken Wahrheit. Doch in den Händen von Wahnsinnigen ist es ein Todesurteil für die Erfahrungen und Gewissheiten des menschlichen Umgangs. Ja, Menschen sind furchtbar und ich habe mit zunehmenden Alter die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das befreite Tier im Menschen nicht besiegt ist, oder gar besiegt werden kann. Sie töten, sie vergewaltigen, sie zerstören alles was ihnen im Wege ist. Sie finden dafür Gründe. Immer!

Und doch wachsen Kinder mit diesem Grundvertrauen heran, dass die Welt GUT und WAHR und SCHÖN ist; auch ihre Menschen. Zum Erwachsenwerden gehört dazu, dass dieses Urvertrauen dahinschmilzt und einer realistischer werdenden Betrachtung weicht. Und doch ist es in jedem von uns hinterlegt und trägt uns durch das Leben. Jede neue Begegnung beginnt auf dieser Grundlage. Hier ist es wo wir uns begegnen. Je mehr dieses Vertrauen gestört wird, desto unmöglicher werden echte Begegnungen. Was bleibt in einer solchen Welt? Wahn! Machetendeals! Prahlerei! Erniedrigung! Und die entsprechenden Gegenreaktionen! Verabredungen gelten nicht mehr, oder nur solange wie es zum eigenen Vorteil gereicht. Errungenschaften der Menschheit im gegenseitigen Umgang? Unsinniger Tand für naive Seelen.

Wo sind der Humanismus und all die endlosen Jahrhunderte die den Menschen formten, das innere und äußere Tier besänftigten? Wo sind all die Mütter geblieben, die ihren Kindern Respekt vor der Tugend und Respekt vor der Wahrheit beibrachten? Warum schreien sie nicht auf?

Intermezzo

Sich das innere Gold in Zeiten des Pessismismus, der Düsternis zu erhalten, ist also ein Gebot der Stunde. So wie es immer wieder geschah. Mitten im ersten Weltkrieg schrieb Leonhard Frank: Der Mensch ist gut. Eine Sammlung von Erzählungen, die den Menschen Mut machen sollten ihrer besseren Natur zu folgen; eigene Schlüsse zu ziehen und sich dem Friedenszug anzuschließen. Diese Novellen wurden kurzerhand als Wehrzersetzend verboten, aber dennoch heimlich umhergereicht.

Um es mit Erich Kästner auszudrücken

Der Mensch ist gut! Wenn er noch besser wäre,
wär er zu gut für die bescheidne Welt.
Auch die Moral hat ihr Gesetz der Schwere:
Der schlechte Kerl kommt hoch - der Gute fällt.

Apropos Mütter: Sie sind oft Teil des Problems. Wie wir schon an der langen Geschichte der Mafia beobachten konnten, sind sie es, die manchmal sogar zum eigentlichen Träger des Status quo werden oder ihn gar befeuern. Und doch läge unendlich viel Hoffnung darin, wenn es den Müttern dieser Welt gelänge, ihren verzogenen Knirpsen kräftig einen hinter die Löffel zu geben, sollten sie sich derart versteigen und ihrer niedersten Natur bequemen. Haben doch schon die alte Griechen wunderbar anschaulich demonstriert, dass all das laute Kriegsgetümmel mit ein wenig gemein.samen Willens seitens der Gemahlinnen und Geliebten prinzipiell gestoppt werden kann. Lysistrata. Make Love, or/not war! Erinnert Euch!

Part II

Kommt Zeit, kommt Rat. Kommt also Erkenntnis?!
Ja so ist das normalerweise. Wir machen Fehler solange wir wandeln und handeln. Gut so! Wir lernen daraus. So soll es sein! Die Bedingung für diese Abfolge ist, dass wir uns Selbst nie so Ernst nehmen, dass der Zweifel keinen Platz mehr darin findet. Dieser Zweifel ist dasjenige Element das uns überhaupt erst den nötigen Abstand zu uns selbst bringt, um von einer erhöhten Warte die Dinge und unsere Rolle darin neu zu betrachten. Er darf nur nicht pathologisch werden, sonst wirkt er nicht hin zur Erkenntnis, sondern verdüstert die Hoffnung, die bekanntlich am Boden der Büchse der Pandorra sich zu liegen fand. Es ist auch nie ganz geklärt worden ob sie ebenfalls mit ausbüchste ... Nietzsche jedenfalls hat das für sich beantwortet und meint:

„Zeus wollte nämlich, dass der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“

Es gibt aber noch einen weiteren Faktor: die Angst. Sie ist ein arger Herumtreiber und bringt einzelne Menschen oder Gruppen und manchmal ganze Volksseelen dazu sich von ihr regieren zu lassen. Dann versteigen sich solche Menschen ganz leicht dazu, sich von geheimnisvollen Kräften umgeben zu sehen, die ihnen ans Leder wollen. Solche Hysterien haben immer wieder Platz gegriffen, in der Antike, dem Mittelalter, oder der Neuzeit. Der ganze sogenannte Kalte Krieg fußte auf. Natürlich auch gab es immer Leute denen ein solcher Zustand herrlich in den Kram passte und in den man sich bequem einrichten konnte und die ihn deshalb - ob einzeln oder in Gruppen - im Geheimen oder in aller Offenheit - bewußt forcierten. Die kurzen Phasen der Erholung nach solchen längeren Phasen der getriebenen Angst sind dann dem Wiederaufbau gewidmet. Eine kurze Zeit der Konzentration auf wirtschaftlichen Aufschwung, verbunden mit der Hoffnung auf Verbesserung für die Massen. Ein Wunsch, mehr nicht!

Kommen wir zurück zu unserem Virus und der aktuellen gesellschafts-politischen Lage. Für Psychologen sicher eine Goldgrube an Verwirrungsformen der menschlichen Psyche. Die Rationalität - also die vernunftgeleitete, erweiterte Sicht der Zusammenhänge - gerät völlig aus den Fugen. Sie spielt bei Manchem fast gar keine Rolle mehr. Deshalb sind auch Argumente völlig fehl am Platz. Sie bewirken das genaue Gegenteil. Was aber ist es nun was Menschen zu Berserkern des völligen Unsinns werden läßt. Es ist Angst! Sie sind nach innen gekehrt und verbunkern sich. An irgendeiner Stelle ihres Lebens haben sie aufgehört mit dem “Anderen”, dem Fremden zu kommunizieren, sich verschiedene Perpektiven zu eigen zu machen. Deshalb ist es ihnen auch herzlich egal ob sie eine Person wählen die dem Allgemeinwohl nicht dienen will. Hauptsache sie bestärkt einen in der Selbstverbunkerung, weil ja überall Kräfte am Werke sind, die ... aber das hatten wir ja schon.

Die Süddeutsche Zeitung bringt eine interessante Betrachtung aus der Zeit der Nürnberger Prozesse zur Geltung. Die Angeklagten, wie Hermann Göring, wurden vor dem Prozeß von einem Psychiater der US-Army begleitet, der sie beobachtete und prozessfähig halten sollte und der, als Laboratorium der Psyche des Bösen - und mit einem gewissen Hang zu selbigen - verschiedene Interviews führte. Waren sie etwa nur infizierte Verrückte?

Kelleys Interviews zeitigen eine andere Einsicht. Es ist die Einsicht, dass es sich um zum Teil sehr intelligente Menschen handelt, die einige Merkmale teilen: zügellosen Ehrgeiz, schwach ausgebildete Moralvorstellungen und exzessiven Patriotismus, mit dem fast jede fragwürdige Tat gerechtfertigt wurde. [...]
“Solche Menschen gibt es überall auf der Welt. Sie haben keine geheimnisvollen Persönlichkeitsmuster. Aber sie haben starke Triebe, und sie wollen an die Macht.” [...]
“Es gibt selbst hier in den USA Leute, die über die Leichen der Hälfte der amerikanischen Bevölkerung gehen würden, um die andere Hälfte unter ihre Kontrolle zu bringen. Bisher reden diese Personen nur, aber sie setzen schon heute ihre demokratischen Rechte antidemokratisch ein.”
 

https://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-nuernberger-kriegsverbrecherprozesse-1.5123532

Lässt sich dazu noch was sagen?

Halten wir also fest. Wir haben den nagenden Zweifel, die bodenlose Angst und den dunklen Trieb. Etwas verloren zwischen ihnen herumirrend die stammelnde Hoffnung.

En Fin

Es sind also alles Gifte. In ihrer verdünnten Form allerdings auch immer Treiber der Entwicklung. Im Grunde, Drogen! Sie sind, wie wir Menschen eben auch, ambivalent. Es existieren also verschiedene Schichten und Wirkungsformen gleichzeitig und gleich gültig, neben- und ineinander. In ihren Urformen sind es Liebe und Destruktion und sie ordnen sich in den verschiedenen Ich-Funktionen unserer Wahrnehmungen, Handlungen und Entwicklungen. Lassen wir mal die Frage, ob das entwickelnde ICH das Leben überdauert und sogar inaugoriert beiseite, so stellen wir fest, dass wir es beim ICH mit gewissen Grundtypen zu tun haben; den kognitiven Funktionen, den vermittelnden Funktionen, den sensitiven und Schutz Funktionen. Sie lassen sich natürlich noch viel weiter in Einzelteile konstruktivieren. Wie bei allen solchen Zerlegungen muss natürlich darauf geachtet werden sie nur als tabellarisches Hilfsmittel eines komplexeren Ganzen, des Lebens an sich, zu betrachten. Im Zuge dieser kleinen, sich entwickelnden Betrachtung können wir uns vielleicht auf die sogenannte Adaptive Regression, also die gespinstartige Adaption der Träume, von frei inspirierten oder imaginierten Zusammenhängen und das Defensive Funktionieren als ICH-Anteile beschränken. Beides scheint sehr ausgeprägt bei solchen Menschen von den ich hier zu sprechen suche. Es fehlt nur ein wichtiger Teil. Die Adaptive Regression ist an sich ja eine wunderbare Fähigkeit des Menschen. Sie ermöglicht uns zu phantasieren, Dinge neu zu Denken, Unmögliches zu wagen. Sie muss nur versuchen sich wieder in einen normalen Realitätsbezug zu bringen, zu hinterfragen. Das ist schwierig, aber geschieht normalerweise unaufhörlich. Sie läßt uns sich entwickeln, anpassen, fort.schreiten. Dieser Teil scheint wie ausgehakt!
Beziehung Suchen ist also eine enorm wichtige Fähigkeit. Aber sie muß sich der Schwierigkeit stellen fortwährend einen Realitätsbezug herzustellen. Ohne diesen Teil ist es wie ein Horror-Trip im Rausch. Man entgleitet der Wirklichkeit und radikalisiert sich im OFF. Man überschreitet die Grenze!

Lebe ich also in einer Zeit, in der sich - wie beim Klimawandel, um nur ein Beispiel zu nennen - tatsächlich eine diesbezügliche Expansion ereignet? Ich fürchte es! Gibt es also Hoffnung?

Kann man so enden? Nein!
Wäre es ein expansives Universum ohne Rückkehr, ohne Hoffnung, wäre es Zeit auszusteigen; dem Warpspeed einen Kick zu versetzen, der es aus dem exzessiven Wurmloch befördert. Ich habe die Hoffnung das es die Bildung ist, die einen hoffen lassen kann. Zukünftige Generation werden also auch ihre Fehler machen und sie werden ebenso anfällig sein. Aber sie werden hoffentlich starke Bildungskräfte haben zu widerstehen! Also, fordern und fördern wir Bildung! Gegen das Übel!

War es das nun endlich? [...] Scheinbar doch noch nicht!
Immer dann wenn man denkt, man könne nun endlich Hoffnung schöpfen, die aufgeschreckte Haltung wieder etwas zurück lehnen, kommt einer daher, der einem die Ohren wieder langzieht. Watschn Watsch!
😂 So soll er denn - unbekannterweise - das letzte Wort haben. Grüße an Tyll!

Aber ich will Ihnen trotzdem was Hoffnungsvolles zum Schluss noch sagen: Ich glaube, die Hoffnung ist eine, die wir, ähnlich wie die Angst, nicht abschalten können als Idee. Die Hoffnung ist aber wahrscheinlich eine notwendige pubertäre Glaubensvorstellung unaufgeklärten Größenwahns. Behält man diese pubertäre Glaubensvorstellung wider alle Erfahrung bis ins hohe Alter aufrecht, hat man ein ernstes Problem.

Arnold Retzer, Psychologe
https://www.deutschlandfunkkultur.de/lebensqualitaet-die-hoffnung-muss-sterben.1008.de.html?dram:article_id=328481